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Mitgefühl

Mitgefühl

Ein Artikel von Evelyn Rodtmann

Erscheinungsdatum: 11. April 2018
Schlagwörter: Selbstmitgefühl

 

Die Flüchtlingsströme nach Europa haben uns seit 2015 in besonderer Weise mit dem Thema Mitgefühl konfrontiert. Wie gehen wir mit diesen endlosen Bildern leidender Menschen um? Wie reagieren wir auf sie, wenn sie plötzlich nebenan wohnen?

Statt politisch zu debattieren, möchte ich einen Blick auf die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Thema Empathie, Mitleid und Mitgefühl werfen. Prof. Dr. Tania Singer, Hirnforscherin und Direktorin am Max-Planck-Institut Leipzig, hat in einer gerade beendeten großen Studie gezeigt, dass wir auf zweierlei Weise reagieren können, wenn unsere Fähigkeit zu empathischer Resonanz, d.h. unsere Fähigkeit mit anderen zu fühlen, angesprochen wird: Erstens können wir in diesem Mitleiden stecken bleiben, was dann eher negative Gefühle bei uns auslöst. Wenn wir mit jemandem mitleiden, wird nämlich der Bereich im Gehirn aktiviert, der auch für die Verarbeitung unserer eigenen Schmerzen zuständig ist. Als Resultat versuchen wir diese Kontakte oft zu meiden, die Bilder der leidenden Menschen in Syrien nicht an uns heran kommen zu lassen oder werden deprimiert über den Zustand unserer Welt. Forscher nennen das empathischen Stress, der sich in Überforderung, Abwehr und Verdrängung zeigt.

Die zweite Möglichkeit ist es, unsere empathische Reaktion, wie z. B. das anfängliche Berührtwerden von den Flüchtlingen, in Mitgefühl zu überführen: statt sich von dem Leiden überschwemmen zu lassen, entwickeln wir aktive, positive, altruistische Gefühle. Wir wünschen den leidenden Menschen das Beste und werden durchaus auch aktiv in der Hilfe. Dann aktivieren wir einen ganz anderen Bereich im Gehirn, der mit der Verarbeitung angenehmer Gefühle zu tun hat. Mitgefühl ist also nicht nur gut für die anderen, sondern stärkt nachweislich auch unser eigenes Wohlgefühl und unsere Resilienz gegenüber Stress. Eine weitere wichtige Erkenntnis war, dass Mitgefühl trainierbar ist. Die regelmäßigen Achtsamkeit- und Mitgefühls-Meditationen zeigten in Tania Singers Studie eindeutig positive Resultate, die auch im Gehirn nachweisbar waren. (Tania Singer et.al. Current Biology Vol 24 No 18)

Wie jedoch unterscheide ich das genau, und wie bekomme ich das hin: mitzufühlen statt mitzuleiden? Mitgefühl ist ein positives, energiegebendes Gefühl, das ich entstehen lasse, wenn ich Leiden miterlebe. Aber ich bleibe in einer Beobachterperspektive – einer achtsamen Haltung und lasse mich nicht davon überschwemmen. Statt mit im Leiden zu versinken, entwickle ich fürsorgliche Energien, spende Trost, Verständnis, gebe Hilfe und Unterstützung oder wünsche dem Anderen einfach Gutes.

Eine gute Möglichkeit Mitgefühl zu üben, ist es, bei sich selbst anzufangen. Wer weniger streng und unnachgiebig mit sich selber ist, sich Fehler und Unzulänglichkeiten verzeiht, ist auch anderen gegenüber wohlwollender und mitfühlender.

Möge unser Herz immer größer und kräftiger werden!

Erschienen im Aquariana Newsletter, www.aquariana.de

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